Die Haftung bei der offenen Handelsgesellschaft – OHG

Eine offene Handelsgesellschaft genießt als Vertrags- und Geschäftspartner eine besondere Vertrauensstellung. Dies liegt vor allem daran, dass die OHG für ein Handelsgewerbe die einzige Gesellschaftsform im deutschen Recht ist, bei der neben der Gesellschaft selber auch alle Gesellschafter persönlich, unbeschränkt und grundsätzlich auch unbeschränkbar für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften.

§ 128 HGB (Handelsgesetzbuch) schreibt in diesem Zusammenhang folgendes vor:

Für diese umfassende Haftung der Gesellschaft und aller ihrer Gesellschafter kommt es nicht darauf an, woraus sich die gegenüber der Gesellschaft bestehende Verbindlichkeit ergibt. Gesellschaft und Gesellschafter müssen für Forderungen aus Verträgen, die von der Gesellschaft abgeschlossen wurden, ebenso einstehen wie für Ansprüche, die auf dem Gesetz beruhen oder auch für Steuerschulden der Gesellschaft.

Diese umfassende Haftung der OHG und ihrer Gesellschafter dient vor allem als Kompensation dafür, dass eine OHG im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften wie einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft über keinerlei Haftungskapital verfügt, auf das Gläubiger der Gesellschaft im Ernstfall zugreifen könnten. Während den Gläubigern einer GmbH bzw. einer Aktiengesellschaft zumindest ein Stammkapital in Höhe von 25.000 Euro bei der GmbH bzw. ein Grundkapital in Höhe von 50.000 Euro bei der AG als Haftungsmasse zur Verfügung stehen, so müssen die Gründer einer OHG bei Aufnahme ihrer Geschäfte keinerlei Kapital nachweisen. Die OHG und ihre Gesellschafter leben zunächst einmal alleine von ihrem guten Ruf, der nicht unwesentlich von der privaten Haftung aller Gesellschafter geprägt wird.

Der Gesellschafter haftet sofort

Der gegen eine OHG gerichtete Anspruch eines Gläubigers kann von diesem sofort beim Gesellschafter geltend gemacht werden. Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass sich der Gläubiger zunächst an die Gesellschaft selber wendet oder dort einen erfolglosen Vollstreckungsversuch unternommen hat.

In der Praxis wirkt sich diese unmittelbare Haftung des OHG-Gesellschafters regelmäßig dergestalt aus, dass er im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung von einem Gläubiger direkt neben der OHG selber auf Beklagtenseite in Anspruch genommen wird.

Mögliche Haftungsbeschränkung

Für die Gesellschafter einer OHG ist ihre umfassende Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft natürlich nicht ohne Risiko. Im Zweifel verlieren sie ihr komplettes Privatvermögen, wenn sie von Gläubigern der Gesellschaft in Anspruch genommen werden.

Natürlich versuchen Gesellschafter einer OHG immer wieder, dieser umfassenden Haftung zu entkommen und einen Ausschluss oder zumindest eine Beschränkung ihrer Haftung zu erreichen.

Solange sich dieser Versuch der Haftungsbeschränkung aber als interne Vereinbarung der Gesellschafter darstellt, zum Beispiel als haftungsbeschränkende Abrede im Gesellschaftsvertrag, ist dies von vornherein zum Scheitern verurteilt. So bringt es dem Gesellschafter auch nichts, wenn er seinen Willen nur beschränkt haften zu wollen, gegenüber dem Geschäftspartner, zum Beispiel durch den Zusatz „mbH“ (Mit beschränkter Haftung) zum Ausdruck bringt (BGH, Urteil vom 27. 9. 1999 - II ZR 371/98).

Der einzige Weg, der für einen Gesellschafter zu einer wirksamen Beschränkung seiner Haftung führt, besteht in dem Abschluss einer individuellen Vereinbarung mit dem Gläubiger, wonach der Gesellschafter nicht oder zumindest nicht in vollem Umfang für Haftungsansprüche zur Verfügung steht. Ohne eine solche zweiseitige und auch vom Gläubiger bestätigte Vereinbarung verbleibt es grundsätzlich bei der umfassenden Haftung eines jeden Gesellschafters einer OHG.

Worauf haftet der Gesellschafter?

Wenn die Verbindlichkeit der OHG in der Zahlung einer bestimmten Geldsumme besteht, dann haftet der Gesellschafter ebenfalls auf die Begleichung des geschuldeten Geldbetrages.

Die akzessorische Haftung des OHG-Gesellschafters kann aber dann durchbrochen sein, wenn die Leistung, die der Gläubiger fordert, tatsächlich nur von der Gesellschaft und gerade nicht von einem Gesellschafter erbracht werden kann. So können sich beispielsweise wettbewerbsrechtliche Unterlassungspflichten der OHG im Zweifel auch nur bei der Gesellschaft (und nicht beim Gesellschafter) durchsetzen.

Haftung bei Eintritt eines neuen Gesellschafters

Tritt ein neuer Gesellschafter in die OHG ein, so haftet der neue Gesellschafter grundsätzlich auch für alle Altverbindlichkeiten der OHG, ohne dass er sich hierzu gesondert (etwa gegenüber den Gläubigern) verpflichten müsste, § 130 HGB.

Haftung des ausscheidenden Gesellschafters

Ein Gesellschafter, der aus einer OHG ausscheidet, will möglichst schnell mit gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen nichts mehr zu tun haben und seine Haftung ausschließen.

Auf der anderen Seite vertrauen Geschäftspartner einer OHG bei Vertragsabschluss auf die Gesellschafterstellung und Haftung eines jeden Gesellschafters.

§ 160 HGB löst diesen offensichtlichen Interessenkonflikt zwischen ausscheidendem Gesellschafter und Gläubiger der Gesellschaft dergestalt auf, dass der Gesellschafter auch nach seinem Ausscheiden für einen Zeitraum von fünf Jahren für gegen die Gesellschaft gerichteten Forderungen haftet, wenn die Forderungen vor dem Ausscheiden des Gesellschafters begründet wurden und innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums fällig werden.

Die Fünf-Jahres-Frist des § 160 HGB beginnt in dem Moment zu laufen, in dem das Ausscheiden des Gesellschafters im Handelsregister eingetragen ist. Ohne Eintragung beginnt die Frist mit positiver Kenntnis des Gläubigers vom Ausscheiden des Gesellschafters.